DIE GESCHICHTE DER KIRCHE

An der Stelle, wo die Statue der Gottesmutter gefunden wurde, wurden zunächst eine Kapelle und später eine Kirche gebaut. Trotz der politischen und sprachlichen Teilungen bleibt Maria vom Monte Lussari die Mutter aller Völker, die Königin von Europa.

Wenn man die Kirche am Monte Lussari betritt, wird man von einem angenehmen dunklen Raum mit sicheren, dicken Mauern und einem Dach, das an ein Schiff erinnert, umarmt. Von dem Siegesbogen, der das Presbyterium und das Schiff teilt, grüßt mit offenen Armen Maria, Jesu Mutter und unsere Mutter. Ihren Mantel öffnet sie wie ein Segel, in dem sich die warmen Strahlen der Sonne – des Gottes – gefangen haben. Mit diesem Mantel, das das Symbol von Gottes Liebe zum Menschen ist, umarmt sie die Pilger, die zu diesem Ort kommen, wo der kleine Hirte vor 650 Jahren ihre zarte Statue gefunden hat. Unter dem Mantel ist Platz für mich, für dich und für Tausende, die sich jedes Jahr auf den Weg Gottes begeben.

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Nach der Überlieferung wurde am Fundort der Statue bald eine kleine Kapelle gebaut, die langsam zu einer Kirche umgebaut wurde. Dazu kamen ein Pfarrhaus und einige Gebäude, um die Pilger aufzunehmen. Die Kirche überlebte so manches Unwetter, sowohl natürlich als auch von Menschenhand. In der Zeit der Aufklärung wurde sie von Kaiser Joseph II. niedergerissen, er wollte die „rückschrittlichen“ Andachten des Volkes unterdrücken. Zusammen mit dem Dorf wurde sie unter den italienischen Artilleristen im Ersten Weltkrieg niedergebrannt. Wenn man die Mauern ausnimmt, erinnern heute an die alte Kirche nur noch die Marienstatue und das angebrannte Relief, das in die nordöstliche Wand des Schiffes eingemauert ist. Doch nach jedem Unwetter lebte die Kirche wieder auf.

Am stärksten wurde die renovierte Kirche von Tone Kralj geprägt, der in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts das Presbyterium bemalt hatte. Er beendete die Arbeit im Jahre 1960. Im Presbyterium wurden die Stationen aus dem Leben Marias abgebildet: die Verkündigung, die Flucht nach Ägypten, die Auffindung Jesu im Tempel, die Kreuzigung und Marias Krönung. Auf dem Trennbogen stellte er Maria mit dem Mantel dar, bei der die Pilger Zuflucht suchen. In der nördlichen Seitenkapelle findet man das Altarbild mit Anna, Joachim und dem Mädchen Maria, auf den Seitenwänden des Schiffes zwei historische Abbildungen: das Finden der Statue und die Verwüstung durch den Ersten Weltkrieg. Kraljs Werk ist auch das Bild der Apostel hll. Kyrill und Methodius in Gesellschaft mit den Schutzheiligen des Patriarchates von Aquileia der hll. Hermagor und Fortunat.

In der Kirche fand nach dem Jahr 1960 auch der Kreuzweg von Kralj sein Zuhause. Er sollte am alten Pilgerweg aufgestellt werden. Die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnene Arbeit wurde nicht vollendet. In den letzten Jahren hatten die Pilger gemeinsam mit den Einheimischen den ursprünglichen Gedanken belebt und begannen die fehlenden Stationen zu bauen, in denen die kopierten Bilder des Kreuzweges ausgestellt werden.

Während Kraljs Werke vorwiegend Maria, der Kirche von Monte Lussari und Jesu Leiden gewidmet sind, erzählen die Glasfenster über Jesu weiteres Wirken in der Welt. Von den Fenstern im Presbyterium grüßen Jesu Vorfahre der hl. Johannes der Täufer (an seinem Festtag beginnt gewöhnlich die Pilgersaison) und sein Nachfolger, der hl. Petrus, der erste Papst. Ihnen gegenüber, im Portal über dem Haupttor, sind zwei Paare von Heiligen dargestellt, die unsere Geschichte geprägt haben. An der Seite sind der hl. Paulin, ein wichtiger Patriarch aus Aquileia, und der hl. Benedikt, der Schutzheilige und Lehrer von Europa. In der Mitte sind die Vertreter aus dem 19. Jahrhundert, der hl. Luigi Scrosoppi aus Udine und der selige Bischof Anton Martin Slomšek aus Maribor. Die Seitenkapelle, dem hl. Joachim und Anna gewidmet, verbindet uns über das Mädchen Maria mit den Anfängen der menschlichen Geschichte, die mit der Vertreibung der Ureltern Adam und Eva aus dem Paradies beginnt. Die zwei Frauen aus der Bibel, Judith und Esther, bereiten den Weg für Maria, die Gottes Sohn geboren hat, der uns von der Sünde der Ureltern erlöst hat. In der Kapelle des hl. Josef sind der Schutzheilige der Pfarre Camporosso der hl. Ägidius und der Schutzheilige der Förster der hl. Johannes Gvalbert dargestellt.

Der heilige Raum

Das Kirchengebäude ist ein geweihter Raum. Es ist vom alltäglichen Gebrauch ausgeschlossen, weil darin außerordentliche Dinge geschehen. Die Kirche ist nicht nur ein physischer Ort, sondern ein bestimmter Zustand des Aufenthaltes, wo gleichzeitig alle Orte und Zeiten anwesend sind. Wir Christen versammeln uns hier zur Messe, wenn Jesu letztes Abendmahl, sein Leiden und seine Kreuzigung vergegenwärtigt werden. In der Kirche werden die neuen Mitglieder der Gemeinschaft getauft und mit dem Sakrament der Firmung bestätigt. Hier heiraten Christen und werden Diakone, Priester und Bischöfe geweiht. In der Kirche versammeln wir uns oft zum Gebet, versöhnen uns mit Gott und den Mitmenschen, und sprechen Gelübde aus.

Das Kirchengebäude und die Kunst wollen uns in jene Realität versetzen, die uns über zeitliche und räumliche Grenzen verbindet; in die Realität, in der der Tod nicht die endgültige Trennung bedeutet. In den Sakramenten, vor allem bei der hl. Messe, treten wir in das umfassende Geschehen von Christi Wirken und Anwesenheit ein, was in den Jahren seines Lebens in Palästina begonnen hat und sich in der Kraft seines Todes bis zum Ende aller Zeiten fortsetzt. Das Leben eines Christen ist nicht auf den Raum und die Zeit begrenzt, die er direkt erfährt. Wenn der Christ mit Gott verbunden ist, tritt er in eine Realität ein, die den Raum und die Zeit übersteigt. Für den Christen endet das Leben nicht mit dem Tod, deshalb bleibt er mit den verstorbenen Menschen verbunden, denn sie leben, wie auch Christus lebt. Diesen Glauben und diese Verbundenheit zeigen wir mit dem Gebet, vor allem dann, wenn wir uns an die Verstorbenen bei der hl. Messe erinnern.

Das Kirchengebäude hilft uns beim Eintreten in diese Realität, die größer als unsere Erfahrung mit Zeit und Raum ist. Die Fenster in der Kirche sind nicht durchsichtig. Sie dienen nicht dazu, durch sie die Umgebung zu beobachten. Sie ermöglichen die Beleuchtung des sakralen Raumes, doch ihr Zweck ist ein anderer: durch die färbigen Fenster „schaut“ Gott in unsere Welt, in unser Leben. In der Kirche zeigt sich unser Leben wortwörtlich in einem anderen Licht: durch die Fenster schaut Gott auf uns und auf die Gemeinschaft, in der ich lebe, und lädt mich ein, dass auch ich auf mich und die Welt durch seine Augen schaue. Dass dies möglich ist, daran erinnern uns die Heiligen, die in den Fenstern dargestellt sind. Die Heiligen sind unsere Brüder und Schwestern, die auf diese Welt und die Menschen mit Gottes Augen schauen konnten.

Die ganze kirchliche Kunst dient diesem Zweck. Die Bilder und die Statuen stellen uns in die Dimension des Lebens, die unserer direkten Erfahrung ausweicht, entweder aufgrund ihrer zeitlichen Abgeschiedenheit, oder aufgrund ihrer transzendenten Natur. Die Statuen der Heiligen sind nicht dazu da, in uns die Erinnerung an etwas zu wecken, das vergangen ist, sondern versichern und, dass sie noch immer mit uns sind. Nicht nur durch ihr Wirken, sondern vor allem deshalb, weil sie in Gott leben. Engel und andere Symbole des Gottes zeigen diese umfassende Realität, die wir zwar nicht verstehen und bis zum Ende erfahren können, die aber gleichzeitig Teil unseres Lebens ist. Wenn ich über die Schwelle des Heiligtums trete, trete ich in eine andere Welt ein. Oder besser: ich trete in eine Welt, die zwar all das einschließt, was ich mitgebracht habe und mich außerhalb des Heiligtums erwartet, doch gleichzeitig übersteigt das alles und ermöglicht mir, mich und die Welt mit Gottes Augen zu sehen. Das Kirchengebäude stellt mich in eine größere Realität.

Wenn wir in die Kirche in Lussari treten, umarmt uns ein angenehm verdunkelter Raum mit sicheren, dicken Mauern und einem Dach, das an ein Schiff erinnert. Von dem Siegesbogen, der das Presbyterium und das Kirchenschiff trennt, begrüßt uns Maria, die Mutter von Jesus und unsere Mutter, mit offenen Armen. Ihren Mantel öffnet sie wie ein Segel, in das sich die warmen Sonnenstrahlen verfangen haben. Die Sonne ist ein uraltes Symbol Gottes. Mit diesem Mantel, der das Symbol von Gottesliebe zum Menschen ist, umarmt Maria die Pilger, die zu diesem Ort kommen, wo der kleine Hirte vor 650 Jahren das zarte Bildnis gefunden hat. Unter dem Mantel ist auch Platz für mich, für dich, und für die Tausenden, die jedes Jahr diesen Gottesweg gehen.

Die Kirche von Monte Lussari „erzählt“ von zwei Familien. Zuerst wird Marias Familie vorgestellt: eine menschliche Generation, aus der sie stammt, und die engere Familie, in der Jesus Christus geboren wurde und aufgewachsen ist. Gleichzeitig sind wir durch eine Familie umgeben, die Jesus mit seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung geschaffen hat: Das ist die Gemeinschaft der Gläubigen, die Maria, die Apostel und alle Christen einschließt, eigentlich alle Menschen guten Willens und sogar die ganze Schöpfung. Einige sind an den Wänden und Fenstern dargestellt, für andere beten wir und sprechen Fürbitten aus.

Marias Geschlecht und Familie wird in den Seitenkapellen dargestellt. Die Kapelle an der linken Seite ist ihren Eltern geweiht: Joachim und Anna. Darin sind auch Adam und Eva dargestellt, die Ureltern, die den menschlichen Fall und die Entfernung von Gott und vom Paradies veranschaulichen. Esther und Judith, zwei wichtige Frauen aus der Geschichte des israelischen Volkes, verbinden die Ureltern mit Marias Familie. Die Kapelle an der rechten Seite ist dem hl. Josef geweiht. Über Maria, Josef und Jesus zeugt das Presbyterium mit den Bildern aus deren Leben. Im Presbyterium befinden sich der Altar, das Symbol Jesu Opfer für uns, und das Tabernakel, in dem das eucharistische Brot aufbewahrt ist, das Sakrament der dauernden Anwesenheit Jesu unter uns.

Die Schlüsselfiguren aus unserer Geschichte stellen das erneuerte menschliche Geschlecht dar: die christliche Gemeinschaft, die Jesus Christus geschaffen hat. Hinten, beim Eingang in die Kirche, grüßen uns die „Erzväter“, die uns den Glauben an Christus verkündet und vermittelt haben. An der linken Seite ist der Patriarch Paulinus, der für die Verkündigung des Christentums südlich der Drau gesorgt hat; an der rechten Seite ist der Abt Benedikt, der Gründer von Klöstern, die Brennpunkte des Christentums und der klassischen Kultur in jenen Teilen von Europa waren, die dem Ansturm der Stämme aus dem Osten und Norden unterlagen – unseren heidnischen Vorfahren. In der Mitte sind Luigi Scrosoppi und Anton Martin Slomšek, Vertreter aus dem 19. Jahrhundert, die beide in ihrem Gebiet Leute bildeten und ihnen auch konkret geholfen haben, im Einklang mit Jesu Gebot der Nächstenliebe. Die Gründer der christlichen Gemeinschaft auf unserem Boden gesellen sich dazu: die Patrone von Aquileia Hermagor und Fortunat prägten das Gebiet zwischen dem Adriatischen Meer und der Drau, und Kyrill und Methodius, die den Glauben den Slawen vermittelt haben.

Der kirchliche Raum will uns helfen, bewusst in die Geschichte zu treten, die die erwähnten Personen geprägt haben. Sie sind unsere geistigen Vorfahren, wir tragen in uns ihre „geistige DNA“. Sie setzten das Fundament für unsere Kultur, wegen ihnen sind wir das, was wir sind. Ihre Wahl und ihr Wirken haben Folgen für uns, heute. An uns liegt es, uns in diese Dimension unserer Realität zu vertiefen und sie anzunehmen, unseren Baustein dazu zu geben und einen Mosaikstein einzufügen – oder wir eilen oberflächlich weiter wie ein Wind, der für einige Zeit ein wenig Staub aufwirbelt, und dann in Vergessenheit gerät.

Die Kirche ist eine besondere Art des Gebäudes und es ist richtig, dass wir uns dessen bewusst sind. Wie jedes andere Gebäude muss sie die Gesetzmäßigkeiten des Bauwesens und der Kunst berücksichtigen. Sie ist aus qualitätsvollen Materialien gemacht und mit ausgezeichneten Kunstwerken geschmückt. Doch die Wissenschaft und die Kunst sind nicht Selbstzweck, sondern dienen dazu, dass sich Gott und seine Familie leichter in der konkreten Zeit und Raum treffen können. Heilige Orte helfen uns dabei, besser zu verstehen, wer wir sind und wohin wir berufen sind.